Wien ? Austrianer ist, wer es trotzdem bleibt. Das wusste schon Friedrich Torberg, das weiß auch Jocelyn Blanchard.
Der Franzose verlängerte am Montag seinen Vertrag beim Noch-Meister um ein Jahr. Für Austria-Trainer Georg Zellhofer eine Aktion mit Signalwirkung.
?Das ist ein Zeichen! Und er hat auf viel Geld verzichtet, was in
der heutigen Zeit alles andere als normal ist?, hofft der
Oberösterreicher, dass Tokic und Radomski es ihrem Kapitän gleichtun.
Im großen Sport1-Interview spricht Georg Zellhofer aber nicht nur über das Ende der fetten Jahre.
Der 46-Jährige wehrt sich gegen Spiel-Probleme, klärt über seine
Wünsche an das Management auf und stellt klar, warum er keine Legionäre
auf der Bank sitzen haben will.
Sport1: Es
wird dieser Tage viel über die Leistungen der Wiener Austria
diskutiert. Wie zufrieden sind Sie mit dem, was ihre Mannschaft zeigt?
Georg Zellhofer:
Sehr zufrieden, wenn man vom Ausrutscher in Mattersburg absieht. Wir
haben mit Verletzungsproblemen zu kämpfen, die ich schon einrechne. Von
einem zweiten Platz habe ich nie geträumt. Vielmehr haben uns die
Experten in der Winterpause bescheinigt, dass wir mitten im
Abstiegskampf stecken und von hinten nur schwer rauskommen.
Sport1: Frank
Stronach hat die ersten 45 Minuten gegen Mattersburg gelobt. Thomas
Parits sagt, dass man so nicht verlieren darf. Wer hat Recht?
Zellhofer:
Darum geht es nicht. Jeder hat seine Meinung, und wenn ich jetzt noch
fünf Leute frage, kriege ich noch drei andere Meinungen. Jeder soll
sich selber sein Bild machen. Und wenn es Frank Stronach so sieht, dann
ist das sein gutes Recht.
Sport1: Wacker-Obmann
Gerhard Stocker hat bei ?Premiere? gesagt, dass sein Verein kein Spiel-
sondern ein Ergebnis-Problem hat. Hat Austria kein Ergebnis- aber ein
Spielproblem?
Zellhofer: Da wehre ich mich
total dagegen. Ich gebe nur ein Beispiel: Sturm muss gegen Salzburg 4:0
führen, verliert aber 0:2. Und dann wird von Klasse und Routine der
Salzburger geschrieben. Bei der Austria ist man immer bemüht, alles
schlecht zu reden. Ich kenne diese Schiene schon, aber da mache ich
sicher nicht mit.
Sport1: Ist das typisch Austria, diese ständige Nörglerei?
Zellhofer:
Diese Austria, die es vor zwanzig Jahren gegeben hat, ist nicht mehr.
Alle warten auf einen Prohaska, Baumeister oder Nylasi. Die haben wir
nicht mehr, die Austria waren und sind wir nicht. Und auch die
Meistermannschaft mit 16 Legionären und 30 Topspielern haben wir nicht
und werden wir auch nicht mehr haben.
Sport1: Heißt das, dass die Austria in naher Zukunft mit dem Meistertitel nicht mehr viel zu tun hat?
Zellhofer:
Ja, so ehrlich muss man sein. In der wirtschaftlichen Lage und in
Zeiten, in denen Austria spart, wird es schwer. Es wird ein Limit
geben, und ein Budget, das mit dem der letzten Jahre nicht vergleichbar
ist. Jetzt müssen wir Kontinuität reinbringen und die Mannschaft für
die Zukunft stabilisieren.
Sport1: Spielen in ihren Ãœberlegungen auch die jungen Spieler aus Akademie und von den Amateuren eine Rolle?
Zellhofer:
Es ist bei der Austria sehr schwer, junge Spieler einzubauen. Wir haben
es probiert, aber die Ansprüche sind extrem hoch. Auf der anderen Seite
hat sich sehr viel getan. Und dann verliert man ein Spiel in
Mattersburg und schon wird vieles in Frage gestellt.
Sport1:
Ein Fragezeichen stand bis Montag auch hinter der Zukunft von Jocelyn
Blanchard, der seinen Vertrag doch verlängert hat. Wie wichtig ist er
für die Austria?
Zellhofer: Er verkörpert den
absoluten Vollprofi, der weiß, was es bedeutet Profi zu sein. Von der
Einstellung, vom Charakter, vom Umgang mit den jungen Spielern. So
einen Spieler kann man sich nur wünschen. Er hat der Austria nicht den
Rücken gekehrt, als eingespart wurde. Und hat jetzt auf sehr viel Geld
verzichtet, was in der heutigen Zeit eigentlich niemand tut.
Sport1:
Frank Stronach hat ein mögliches Ende der Unterstützung angedroht. Ihr
Generalmanager spricht davon, dass die fetten Jahre vorbei sind. Wie
gehen Sie damit um?
Zellhofer: Die fetten Jahre
sind wirklich vorbei. Es geht nicht mehr so wie in der Vergangenheit.
Thomas Parits und ich müssen uns damit abfinden, aber wir müssen auf
der anderen Seite auch für die Zukunft planen. Dass Blanchard seinen
Vertrag verlängert hat, hat Signalwirkung, ist ein Zeichen. Für Spieler
die kommen wollen, für die Jungen und auch für die Fans.
Sport1: Die Planungen für die neue Saison laufen. Haben Sie schon ihre Wünsche beim Management deponiert?
Zellhofer:
Wünsche schon, aber die sind mit langen Diskussionen verbunden. Die
Balance in der Mannschaft muss passen. Wenn wir Legionäre holen, dann
gute, die auch Leistungsträger sind. Ich will keinen Legionär auf der
Bank haben. Das will ich mir nicht leisten. Und auf der anderen Seite
wollen wir die jungen Spieler heranziehen.
Sport1: Seit Wochen hält sich hartnäckig das
Gerücht, dass Walter Schachner Sie bald, demnächst oder nach der Saison
ablösen soll. Keine leichte Situation, oder?
Zellhofer:
Ich schätze Walter Schachner sehr, habe mit ihm die Trainerausbildung
gemacht. Er ist für mich ein guter Freund, und umgekehrt ist es denke
ich ähnlich. Aber ich weiß auch, wie es in dem Geschäft rennt. Ich
könnte mich jetzt auch fragen: Wie hat sich der Walter gefühlt, als er
als Tabellenführer gehen musste? Mit den Gerüchten muss ich leben. Das
ist Fußball, das ist der Job!