Russland verspricht sich viel von Fußball-WM
"Wirtschaftlich rückständig und korrupt" - so hat selbst Kremlchef Dmitri Medwedew Russlands größte Probleme immer wieder benannt. Seine Reaktion "Hurra! Sieg! Wir bekommen die Weltmeisterschaft 2018!" dürfte vor allem auch deshalb so begeistert ausgefallen sein, weil er sich von dem Fußball-Spektakel wirtschaftlich viel verspricht.
Doch selbst die Glitzermetropolen Moskau und St. Petersburg sind bisher alles andere als reif für eine WM. Obgleich das Land eine reiche Rohstoffmacht ist, leidet es an einer extrem maroden Infrastruktur: Es fehlt an Straßen, Hotels, Flughäfen - und vor allem an Stadien für die Fußball-WM 2018. Ausländische Unternehmen in Russland stöhnen schon seit langem über Extrem-Bürokratie, Schmiergeldkultur, Zollprobleme und technische Arbeitshindernisse. Abgeordnete der Staatsduma sprachen nach der Vergabe freilich von der "endgültigen Wiedergeburt der Sportweltmacht Russland".
Kritik aus dem Ausland, wonach Geld die entscheidende Rolle bei der Vergabe gespielt habe, wies Sportminister Witali Mutko zurück. Mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sei es höchste Zeit für die erste Fußball-WM in Osteuropa, unterstrich er. Doch außer dem Ball soll 2018 auch der Rubel rollen: Russland stellt der FIFA satte Millionengewinne in Aussicht. Aus der russischen Wirtschaft seien über eine Milliarde US-Dollar (760 Mio. Euro) in das Sponsoring der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi investiert worden, hatte Mutko in Zürich gesagt. Da Fußball in Russland Sportart Nummer 1 sei, könne die FIFA bei einer WM mit noch höheren Zuwendungen rechnen.
Die WM-Gastgeberrolle stellt das flächenmäßig größte Land der Erde auf allen Ebenen jedenfalls vor einen immensen Aufwand: Zehn Milliarden Dollar (7,6 Mrd. Euro) werde allein der Bau neuer Stadien kosten, wie Regierungschef Wladimir Putin sagte. 13 der 16 vorgesehenen Spielstätten in den 13 Austragungsorten müssen erst noch errichtet werden. Mindestens 40.000 Plätze soll jede Arena haben. "Die meisten Stadien sind wie vor dem Ersten Weltkrieg", schimpfte etwa Russlands niederländischer Fußball-Nationaltrainer Dick Advocaat.
Die Kosten für die Stadien will Putin vor allem staatlichen Großunternehmen und Oligarchen aufdrücken. Immerhin erwartet Finanzminister Alexej Kudrin bis 2013 ein jährliches Haushaltsdefizit von um die drei Prozent. Und schon jetzt lasten nicht nur die Ausgaben für die Olympischen Winterspiele 2014 im Schwarzmeerkurort Sotschi schwer auf dem Budget, das vor allem von den Weltmarktpreisen für Öl, Gas und andere Rohstoffe abhängt. Das Land erwartet in den kommenden drei Jahren jeweils 4 bis 5 Prozent Wirtschaftswachstum.
Tief in die Tasche greifen soll der Multimilliardär Roman Abramowitsch, Besitzer des Londoner Fußball-Clubs Chelsea FC. "Wir wissen, dass er sich aufmerksam um die Entwicklung des russischen Fußballs kümmert", sagte Putin in Zürich nach dem WM-Zuschlag. Daneben soll etwa der Ölkonzern Lukoil die Sanierungskosten des Spartak-Stadions in Moskau übernehmen und das Geldinstitut VTB die Ausgaben für das Dynamo-Stadion. In St. Petersburg sei der Staatsmonopolist Gazprom in der Pflicht.
Russland werde alle Infrastrukturfragen lösen, versicherte Putin. "Ein Risiko gibt es immer. Aber wer nichts riskiert, trinkt am Ende auch keinen Champagner." Das Land will in den kommenden Jahren gleich mehrere sportliche Großereignisse stemmen, neben den Olympischen Spielen erstmals auch ein Formel-1-Rennen 2014 in Sotschi. Doch Experten warnen angesichts der Sotschi-Erfahrungen, dass die Kosten - nicht zuletzt wegen der Korruption - für die WM explodieren könnten. Die für die Winterspiele zunächst veranschlagten Kosten haben sich längst auf über 30 Milliarden US-Dollar (22,8 Mrd. Euro) mehr als verdreifacht - berechnet nur bis 2012. Hinzu kommen Privatinvestitionen in Milliardenhöhe.
-apa-