Bye, bye, bye Delilah
"Potters" bringen Kultur ins Land.
Stoke City Football Club: Alleine der Name genügt, um ein Glänzen in die Augen erwachsener Menschen zu zaubern. Am Wochenende fixierten die "Potters" nach 23 langen Jahren des Wartens wieder die Rückkehr ins Oberhaus. Die englische Premier League, die sportlich zu einer Eliteliga und wirtschaftlich längst zu einem Milliardenunternehmen geworden ist, erhält durch den Traditionsverein frischen Wind.
Das Gründungsdatum 1863 macht den Kultverein aus Stoke-on-Trent zum zweitältesten Ligaclub der Welt. Die rot-weißen Dressen und Vereinsfarben wurden in den vergangenen Jahren aber immer mehr in den Schmutz gezogen, so gab es triste Drittklassigkeit statt Partien gegen die Großen des Landes.
Wahre Kragenweite und bittere Realität
In den Augen der eigenen Anhänger waren bzw. sind Gegner wie Manchester United, Arsenal und Liverpool die wahre Kragenweite von Stoke City. Zuletzt hieß die Realität aber Colchester oder Scunthorpe. In all den Jahren seit der letzten Oberhaus-Saison 1984/85 - noch lange vor Gründung der heutigen Premier League - hatte man sich sogar dem kleinen Lokalrivalen Port Vale (mit Promifan Robbie Williams) immer mehr angenähert.
Als es 1989 zum ersten Stadtderby seit 1956 kam, folgte sogar der anschließende "Super-GAU": Stoke City stieg in die dritte Liga, ab und trotz aller Popularität war man plötzlich auf dem Papier nur noch die Nummer zwei in der eigenen Stadt. Die anschließende Verspottung durch die Port-Vale-Anhänger mussten diese jedoch teuer bezahlen.
1992 führte das Cup-Los die beiden Kontrahenten wieder zusammen, und es kam, wie es allgemein befürchtet worden war: Schwere Unruhen zwischen den beiden rivalisierenden Fangruppen folgten, und in den Pubs im Stadtteil Burslem blieb kaum eine Glasscheibe heil.
Wenn einem der eigene Ruf vorauseilt
©Bild: Reuters/Toby Melville
Die Fans von Stoke City gelten in ganz Großbritannien ohnehin als spezielles Kapitel. In einer eigenen "Gestörten-Tabelle" landet man regelmäßig unter den Top Drei, nur Millwall und Cardiff City eilt ein ähnlich zweifelhafter Ruf voraus.
©Bild: Reuters/Toby Melville
Die alten "Firms" in der Stadt verstehen sich auch heute noch als schlagkräftige Repräsentanten von Stoke-on-Trent. Das Hooligan-Problem ist nicht Geschichte, sondern Alltag. Speziell in der nächsten Saison will man als Aufsteiger in die Premier League den endlich wieder prominenten Gästen aus der Hauptstadt und ganz England auch abseits des Spielfelds leider einiges beweisen.
Aus einer TV-Reportage blieben in diesem Zusammenhang die negativ eindrucksvollen Worte "Wer nach Stoke kommt, der muss damit rechnen, dass er Probleme bekommt. Wir wollen zeigen, dass wir die Besten sind", in Erinnerung.
Pioniere der "Pottery"
Stoke ist auch sonst ohnehin nicht gerade für sein beeindruckendes Stadtbild und die große Gastfreundschaft bekannt. Gästefans, die das mit Chorälen aus der Fäkalspreche betonen, bekommen allerdings eine ebenso eindeutige Antwort zu hören.
Die Region gilt als Pioniergegend der Keramikherstellung ("Pottery"), und ohne Stoke und die Klomuschelproduktion würde man deshalb eben noch Probleme mit der Entsorgung der eigenen Exkremente haben.
Gesangsfreude und Millionen
Der Stoke-Anhang ist zudem ohne Frage besonders stimmkräftig. Der Klassiker "Delilah" wurde mit den Zeilen "Forgive me Stoke City, I just couldn't take anymore" zum fixen Gesangsinventar.
Als am Wochenende die Rückkehr ins Oberhaus fixiert wurde, gab es nicht nur einen Platzsturm Tausender Fans, sondern auch ein letztes beeindruckendes "Bye, bye, bye Delilah" zu hören, wie in einem YouTube-Video zu sehen, aber nicht zuletzt auch zu hören ist.
Ein torloses Heimremis gegen Leicester City (musste im Gegensatz dazu erstmals den bitteren Gang in die Drittklassigkeit antreten) reichte zur Vizemeisterschaft in der Championship und damit zum direkten Aufstieg. Finanzieller Lohn dafür sind 35 Millionen Pfund für die nächste Saison und zumindest 60 Millionen in den kommenden drei Jahren.
Negativrekord und Ligacup
Doch für die Fans, die zu Zehntausenden die Mannschaft bei einer Aufstiegsfeier-Fahrt mit einem Doppeldeckerbus durch die Stadt feierten, zählt der sportliche Aspekt mit der Chance auf Wiedergutmachung ohnehin mehr. Denn 1984/85 stellte man mit nur 17 Punkten einen Negativrekord auf, der 21 Jahre lang "hielt", nun soll dieser Makel - möglichst positiv - behoben werden.
Der Triumph im Ligacup aus dem Jahr 1972, als man Chelsea mit 2:1 bezwang, bedeutet hingegen für die älteren Stoke-Supporters den vermutlich schönsten Moment in ihrem Leben als Fußballfanatiker. Die Wochenend-Aufstiegsparty und das vorerst letzte "Delilah" in der Zweitklassigkeit werden für die jüngeren Semester wohl eine ähnliche Bedeutung haben.
Christian Tragschitz, ORF.at