Bobic: "Euer Fußball existiert gar nicht"

  • Fredi Bobic spricht bei sportnet.at darüber, wie sein millionenschwerer, bulgarischer Klub Europa erobern will, warum Bayern München "massive Probleme" hat und wieso Österreichs Bundesliga nicht existiert.



    Mit dem Geld des Öl-Händlers Mitko Sabew und dem Know-how von Geschäftsführer Fredi Bobic und Trainer Krassimir Balakow entsteht in Bulgariens Industrie- und Hafenstadt Burgas ein millionenschweres Projekt.


    Dabei geht man einen - speziell für einen osteuropäischen Klub - untypischen Weg. Das Motto lautet: Zuerst Steine, dann Beine.


    sportnet.at: In Burgas ist man fest davon überzeugt, dass Chernomorets eines Tages Europa erobern wird. Welche Ziele verfolgt Ihr Klub?
    Fredi Bobic: „Sie sind auf jeden Fall langfristig ausgelegt. Wir wollen in den nächsten beiden Jahren die bulgarische Spitze erklimmen und mit den arrivierten Klubs aus Sofia mithalten. Noch stehen wir im ersten Jahr. Wir sind aktuell Vierter und kämpfen um einen Europa-League-Startplatz."


    Worin liegt das Hauptaugenmerk?
    „Wir investieren zurzeit noch in Steine statt Beine. Wir bauen gerade ein neues Trainingszentrum mit einer Jugendakademie. Auch unser Stadion, das ohnehin schon das modernste im Land ist, vergrößern wir zurzeit auf 30.000 Plätze. Zudem wird von der Fanorganisation bis zum Merchandising quasi alles neu erfunden. Wir versuchen dort Dinge anzugehen, die in Deutschland und Teilen Österreichs mittlerweile normal sind.“


    Dabei gibt es alleine hierzulande abschreckende Beispiele, was Mäzene betrifft. Keine Angst, sich die Finger zu verbrennen?
    „Warum sollte ich?“


    Weil Mäzene launische Wesen sein können.
    „Krassimir Balakow und ich versuchen, den Klub so weit wie möglich zu führen. Es kann natürlich sein, dass der Geldgeber morgen sagt ‚ich will nicht mehr’, davor ist man nie gefeit. Jedoch ist schon einiges im Gange, das man nur schwer stoppen könnte. Und wenn man es stoppt, hätte man viel mehr Geld verbrannt als wenn man noch weiter investieren würde. Zudem ist Mitko Sabew ein Ehrenmann, der zu seinem Wort steht.“


    Stünde der Klub finanziell auf festen Beinen, wenn sich der Investor von heute auf morgen zurückzieht?
    „Wir versuchen, normale Marketing-Strukturen aufzubauen. Wir haben schon über zehn Firmen gefunden, die gutes Geld in unsere Projekte investieren. Ich halte eine breite Aufstellung dahingehend für sehr wichtig, damit sich das ganze eines Tages von selbst tragen kann.“


    Ein Problem in Österreich war und ist, dass sich die Geldgeber gerne einmal in sportliche Belange einmischen.
    „Das passiert bei uns nicht. Der Mäzen hat Krassimir Balakow eingestellt, der wiederum mich geholt hat. Und wir teilen uns die sportlichen Dinge untereinander auf, weil wir das Know-how besitzen. Natürlich will der Präsident wissen, was mit seinem Geld passiert. Aber wenn wir ihm das plausibel erklären, funktioniert’s. Er weiß selbst, dass er wenig Ahnung von Fußball hat, aber er ist irrsinnig fasziniert von diesem Geschäft. Bis jetzt hat er sich nicht eingemischt. Er verlangt aber Antworten, was auch sein gutes Recht ist.“


    Was sieht Ihr Aufgabengebiet vor?
    „Ich bin Geschäftsführer, der komplette administrative Bereich untersteht meiner Person. Ich versuche, die Mitarbeiter zu schulen, sie nach Deutschland zu schicken um neue Wege kennenzulernen und Know How aus Europa zu erlangen. Darüber hinaus entscheide ich über sportliche Belange, wie zum Beispiel bei Transfers, gemeinsam mit Krassimir. Da fetzen wir uns auch gerne einmal über gewisse Dinge, aber das muss eine Freundschaft aushalten. Letztlich versuchen wir, unser Netzwerk auszunützen und entscheiden immer zusammen.“


    Warum hat der FC Bayern massive Probleme? Worüber hat Bobic zuletzt mit Peter Pacult gesprochen? Warum existiert Österreichs Fußball nicht? Jetzt umblättern!


    In Burgas' Reihen gibt es bereits vier Spieler deutscher Herkunft, weitere sollen noch folgen. Wie funktioniert das Scouting-System des Klubs?
    „Wir haben es erst aufgebaut. Es wird vor allem im Jugendbereich stark eingesetzt. Wir haben Bulgarien unter unseren Scouts quasi in vier Teile aufgeteilt. Da sehen sie sich von den acht bis 18-Jährigen alles an und versuchen, Talente zu akquirieren."


    Und International?
    "Auch ins Ausland schicken wir immer wieder zwei, drei Leute. Ein brasilianischer Vermittler, der schon länger in Bulgarien lebt, klappert für uns den südamerikanischen Markt ab. Der Rest läuft über die Netzwerke von Krassimir und mir. Letzte Woche war ich beispielsweise in Portugal, habe mir viele Spieler angesehen und gleich zwei mitgebracht.“


    Themenwechsel: Sie sind nebenbei als Experte der Deutschen Bundesliga im Einsatz. Woher kommt die plötzliche Leistungsexplosion der Bayern?
    „Die mussten sich erst richtig kennenlernen. Robben und Ribery waren nie richtig fit. Gomez war in einem Loch und noch nicht angekommen. Van Gaal hat die Mentalität der Bayern nicht sofort angenommen, was unüblich ist. Jetzt rufen sie einfach das ab, was sie können. Das ist auch gut so, weil sie in den letzten beiden Jahren eigentlich nur gelangweilt und für Zoff statt spielerischen Glanz gesorgt haben.“


    Im System konnten Sie keine Änderungen festmachen?
    „Nein. Der Trainer muss die Taktik nach seinem Spieler-Material ausrichten. Und van Gaal hat fantastisches Material. Die Bayern können investieren wie kein zweiter Klub in Deutschland. Wenn du Robben und Ribery hast und einen Gomez für 35 Millionen Euro aus Stuttgart holst, einen Klose besitzt und Luca Toni ohne Probleme abgeben kannst, dann hast du wirklich ganz massive Probleme (lacht).“


    Abschließend: Verfolgen Sie den österreichischen Fußball?
    „Das Problem ist – das habe ich vor kurzem auch mit Peter Pacult besprochen – man kriegt im Ausland einfach zu wenig mit von eurem Fußball. Zu der Zeit, als ich beim ATV als Experte tätig war, habe ich das schon eher verfolgen können, weil ich mich mit euren Leuten darüber unterhalten habe. Aber es ist unheimlich schwierig, so ganz ohne Bildmaterial. Selbst wenn du in Deutschland lebst, existiert der österreichische Fußball eigentlich gar nicht. Und das ist unheimlich schade.“




    sportnet

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!