Diesen Milliardären gehört der Fussball

  • Quelle: welt.de, nur mit Abo, gekürzt. Im Anhang findet ihr ein pdf mit den Namen der Klubs, den Besitzern und deren Vermögen.


    Traditionen zählen nicht mehr, kein Umbruch ist zu krass, solange genug dabei herausspringt. Für Romantiker ist längst kein Platz mehr. Noch viel aufschlussreicher ist es aber, wenn man die Hochvermögenden hinter dem Milliarden-Business kennt. Dann ergibt sich in seiner Gesamtheit ein Bild, wie wirtschaftsnah der europäische Fußball geworden ist. WELT ist der Spur des Geldes gefolgt und hat 53 Investoren mit einem Vermögen von einer Milliarde Euro oder mehr gefunden und sie erstmals in einer Liste zusammengefasst.


    Dabei gibt es völlig unterschiedliche Investorentypen und Anlagestrategien. Da ist zunächst eine Gruppe, die dem gemeinen Fußballfan die liebste ist: Reiche Fans oder zumindest Lokalpatrioten, die den Wert des Vereins für das regionale Ökosystem erhalten wollen. Trotzdem wurden solche Rettungen mitunter zum Top-Investment. Eine zweite Milliardärskohorte sieht Spitzenklubs als gewinnbringende Anlage. Mitunter bauen diese Anleger regelrechte Sportverein-Imperien auf, die sie wie ein Private-Equity-Investment behandeln. TV-Gelder, Merchandising, Sieg- und Aufstiegsprämien, Zuschauereinnahmen und manchmal auch Steuervorteile bilden die Kapitalrendite. Die Geldgeber stammen zunehmend aus eher fußballfernen Nationen wie den USA, China oder Thailand. Eine dritte Gruppe sucht sich niederklassige, jedenfalls kleinere Teams, um sie mit einem Businessplan an die europäische Spitze zu führen und Wertzuwachs zu schaffen. Stellt sich der Erfolg innerhalb weniger Jahre ein, sind die Renditen dieser Projekte mitunter beispiellos. Viertens werden strategische Vorteile gesucht. Auf die „soft power“ von Fußballinvestments weist auch eine KPMG-Studie hin: Es kann um Werbe- und persönliche Imagezwecke gehen. Zudem werden Geschäftsbeziehungen geknüpft.


    Auch politische Gründe geben Anlass zu Investitionen: Die ungarische Regierung und die staatliche Öl-Firma MOL schickten um die 50 Millionen in die Slowakei – an den Geschäftsmann, Politiker und Orban-Kumpel Oszkár Világi. Er ist Eigner des größten Fußballvereins der in der Slowakei lebenden ungarischen Minderheit. Die Steuergelder flossen etwa in ein neues Stadion und eine Jugendakademie, die Orban persönlich eröffnete. Vor den Spielen wird die ungarische Hymne gespielt. Auch Világi verleugnet nicht, dass der Verein ein Symbol für alle Ungarn in der Slowakei ist. Das Projekt ist erfolgreich: Dunajska Streda belegt Platz zwei hinter Erzrivale Slovan Bratislava.


    WELT hat die besten Geschichten und größten Auffälligkeiten in neun Kategorien zusammengetragen.

    Die Reichsten

    Vier Eigentümer auf der WELT-Liste verfügen über mehr als 20 Milliarden Euro: Luxus-Magnat François Pinault (Stade Rennes), Abu-Dhabi-Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan (Manchester City), Brausekönig Dietrich Mateschitz (RB Leipzig, RB Salzburg) und der russische Ölbaron Wagit Alekperow (Spartak Moskau).

    Der Portfolio-Manager Robert Platek ist zwar in der Lage, sich mit Sonderysk Elitesport privat einen dänischen Erstligisten zu kaufen. Aber er ist über MSD Capital lediglich einer der Verwalter des 38-Milliarden-Euro-Vermögens von Tech-Gründer Michael Dell. Einen Teil investierte Platek jüngst in den italienischen Erstligisten Spezia Calcio – und schaffte es so auf die Liste.

    Der reichste Mehrheitseigner im europäischen Fußball findet sich in der zweiten spanischen Liga: Der mexikanische Telekommunikations-Kapitän Carlos Slim (geschätztes Vermögen: 55 Milliarden Euro), ehemals reichster Mann der Welt, rettete den Drittligisten Real Oviedo 2012 vor der Insolvenz.

    Die Spendablen

    Mäzen Nr. 1 ist der russische Rohstoffmogul Roman Abramovitsch. Er hat seit 2003 gut zwei Milliarden Euro in den Chelsea FC gesteckt. Aber auch Juventus Turin und die Scheich-Klubs Manchester City und Paris Saint-Germain kauften einer Transfermarkt-Analyse zufolge für mehr als 1,5 Milliarden Euro Spieler ein. Als Abramovitsch jüngst über einen Chelsea-Verkauf grübelte, forderte er drei Milliarden Euro. Es gab tatsächlich Interessenten, etwa der reichste Brite, James Ratcliffe – Besitzer von OGC Nizza und Lausanne Sports. Am Ende wurde der Rekordpreis nicht realisiert.

    Die bisher höchsten Kaufpreise zahlten US-Investoren: 2005 stieg Immobilien-Guru Malcolm Glazer für 875 Millionen Euro bei Manchester United ein, 2007 Bau-Krösus Stanley Kroenke für 840 Millionen Euro beim Arsenal FC. Zuletzt übernahm der wohl reichste Autohändler der Welt, Dan Friedkin, den AS Rom für knapp 600 Millionen Euro.

    Die Aufsteiger

    Acht der 55 Investoren haben Vereine in niederklassigen Ligen gekauft und sie nach Europa geführt. Die größte Erfolgsgeschichte schrieb RB Leipzig. In zehn Jahren schaffte es der Redbull-Klub aus der fünften Liga ins Halbfinale der Champions League. Allein die UEFA-Prämien brachten in der vergangenen Saison 58 Millionen Euro.

    Ein ebenfalls von der deutschen 50+1-Regel getriebenes Projekt ist die TSG Hoffenheim: Die Sinsheimer schafften dank des Geldes von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp zwischen 1990 und 2008 den Aufstieg von der Kreis- in die Bundesliga – seit 2017 spielt man in Europa.

    Die Treuen

    Fußball ist in der Regel ein Value-Investment. Daher finden sich unter den Aufsteigern auch die Treuesten. Dietmar Hopp unterstützt seinen Heimatverein seit 1989. Längere Engagements Schwer-Vermögender finden sich nur in Italien: Metall-Magnat Giampaolo Pozzo (110 Millionen Euro) hält die Mehrheit an Udinese Calcio seit 1986.

    Die Fiat-Familie Agnelli sponsert Juventus Turin seit fast einem Jahrhundert, seit 1964 hält man 64 Prozent der Aktien.

    Die Absteiger

    Nicht jede Wette geht auf: 2010 stieg Katar-Scheich Al Thani (1,2 Milliarden Euro) in Malaga ein, tilgte Schulden und lockte Stars wie Ruud van Nistelrooy. Das Engagement führte den Klub bis ins Champions-League-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund. Doch Al Thani stoppte bald den Geldregen. Spieler wurden versilbert, Financial-Fairplay verhinderte den nächsten Europa-Cup-Auftritt. Knapp am Ruin vorbeigeschrammt dümpeln die Andalusier heute in La Liga 2. Hierzulande ist der Fall TSV 1860 München im Gedächtnis: Mit Champions League-Ambition in der zweiten Bundesliga gestartet, wurde der Klub bald nach dem Einstieg von Hasan Ismaik (erster Milliardär Jordaniens) in der Regionalliga versetzt. Auch Espanyol Barcelona wurde 2020 trotz China-Investor Chen Yancheng (eine Milliarde Euro) zweitklassig. In England und Italien ist die Investorendichte so hoch, dass ständig Investoren absteigen.

    Die Multiklubbesitzer

    Ein Hauptverein und ein Nachwuchslieferant – dass diese Strategie Sport- und Finanzerfolg zeitigt, gilt als gesetzt. Bekannt sind die globalen Klub-Imperien von Brausekönig Mateschitz und der City Football Group um Manchester City. Zuletzt hat sich ein Israeli hervorgetan: Idan Ofer, Reeder aus Haifa, hält einen 32-Prozent-Anteil am spanischen Topklub Atletico Madrid. 2018 kaufte er den portugiesischen Zweitligisten FC Famalicao für wenige Millionen dazu, der umgehend aufstieg.

    Die Schuldner

    Europas Fußball-Elite hat enorme Schulden, der UEFA zufolge vor allem auch Investorenklubs. Manchester United ist mit 568 Millionen Euro Schulden-Primus. Tottenham Hotspur (483 Millionen), Inter Mailand (461 Millionen), Juventus Turin (372 Millionen) und die AS Rom (312 Millionen Euro) folgen. Zählt man ausgelagerte Stadionbauten wie im Fall von Tottenham hinzu, steigt die Verbindlichkeit nochmals deutlich. Für fußballaffinen Geldadel sind Schulden aber auch eine Chance: Mitunter griffen sich Investoren einen Topklub für eine symbolische Summe. So schlug der Filmproduzent Aurelio de Laurentiis (600 Millionen Euro) das womöglich größte Schnäppchen: 2004 gründete er den bankrotten SSC Neapel neu – und übernahm einige Millionen Euro Schulden. Heute setzt der Klub 176 Millionen Euro um.

    Umsatz- und Marktwert-Champions

    Wie wichtig der Umsatz für Geldgeber offenbar ist? 17 der 30 in der Deloitte Money League gelisteten umsatzstärksten Vereine Europas sind in Investorenhand.

    Vier Klubs, deren Eigner auf der WELT-Liste sind, setzten Deloitte zufolge selbst im Coronajahr 2020 gut eine halbe Milliarde Euro um: die beiden Klubs aus der Cash-Kapitale Manchester, der Liverpool FC und Paris Saint-Germain. Eben jene vier Klubs sind auch bei den von Brand Finance ermittelten Marktwerten vorne dabei: Wie bei Schulden und Umsatz thront Manchester United mit 1310 Millionen Euro über dem Rest – vor Liverpool (1262 Millionen), Manchester City (1124 Millionen) und PSG (967 Millionen).

    Newcomer und Kurioses

    Silvio Berlusconi (sechs Milliarden Euro) nimmt nach dem Verkauf des AC Mailand einen neuen Anlauf in der zweiten italienischen Liga. Als Besitzer des SC Monza gelang es ihm, Kevin-Prince Boateng und Mario Balotelli in die Lombardei zu holen. Ein Aufstieg ist schon in wenigen Wochen möglich – dann wäre der Medien-Mogul zurück im Oberhaus des Fußball-Geldadels. Bereits Eigentümer eines Erstligisten ist der brasilianische Weltmeister und Fußballer Ronaldo (300 Millionen Euro). Er sicherte sich vor drei Jahren 82 Prozent der Anteile des spanischen Klubs Real Valladolid.

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