Die Wirte in der Wiener Fanzone klagen zunehmend über fehlende Kundschaft und Organisationsmängel
Auf dem Großbildschirm läuft eine alte Folge von "Was gibt es Neues?", in der Oliver Baier "das Beste aus Italien und Deutschland" an seine Gäste verteilt: Teigwaren und DVDs deutscher "Comedians". Zumindest deutsche Fußballfans könnten sich da schon ein bisschen auf den Schlips getreten fühlen – wenn denn wenigstens einer von ihnen dort wäre. Aber auf dem Wiener Heldenplatz, pardon, in jenem Bereich der "Fanzone Wien", den man früher so nannte, ist um zehn Uhr vormittags praktisch keine Menschenseele – nur ein älteres Paar aus Wien steht auf dem Asphalt und haut sich ab.
"Es wird nichts geboten"
Seit Samstag geöffnet und anfangs auch recht gut besucht, hat die Fanzone mittlerweile zwei Probleme. Das kleine Problem ist: von Mittag bis zum frühen Abend ist dort wenig los. Das große Problem ist: sie sperrt schon um 9 Uhr auf.
Nichts los auf dem Rathausplatz um halb zehn:
Dienstag Vormittag auf den Großbildschirmen: Alte Folgen von "Was gibt es Neues?":
Was man zu sehen bekommt, wenn man sich dazu überwindet, schon kurz nach dem Aufsperren dorthin zu kommen, gibt leider auch keine stichhaltigen Argumente für eine Wiederholung dieses Vorhabens: Sehr viele Security-Mitarbeiter, die die bekannteste aller deutschen Tugenden an den Tag legen und denen mit dem Attribut "humorlos" eher noch geschmeichelt wird. Viele andere Menschen mit Ausweisen und Zugangsberechtigungen, ein paar Polizisten und viele junge Damen in der Promotion-Panier eines Boulevardblatts, die einen fortlaufend fotografieren wollen. Die matchen sich dann förmlich mit den anderen jungen Damen, die unweit des Parlaments in der Fanzone stehen und Touristen zu einer "Gratis-Führung" durch jenes Haus animieren wollen, in dem die österreichischen Gesetze gemacht werden und das ein Finanzminister einmal zu einer Institution der darstellenden Kunst erklärte.
Apropos:
Unweit des richtigen Theaters, des Burgtheaters nämlich, zählt eine Standlerin auf, was ihrer Meinung nach alles schief läuft. "Es wird hier nichts geboten. Und das, was geboten wird, ist zuwenig bekannt." Sie vermisst vor allem auch die Fußball-Touristen, denn "die Österreicher arbeiten ja um diese Zeit". Ein paar von denen sieht man aber doch – sie benützen die Fanzone als Abkürzung auf dem Weg in die Arbeit.
"Katastrophal"
Nicht nur, aber vor allem wegen der fehlenden Kundschaft herrscht bei vielen Wirten bereits massiver Unmut. Besonders schlimm ist es am Heldenplatz und beim Burgtor. Die Standler dort nennen die Bedingungen "katastrophal" und berichten von Zuständen, die als "schikanös" zu bezeichnen durchaus angebracht wäre. "Uns ist versprochen worden, dass hier beim Burgtor der Eingang ist. Jetzt ist er aber viel weiter oben am Ring, und der Durchgang beim Volksgarten ist auch offen. Das war so nicht ausgemacht", kritisiert ein Kebab-Standler.
Andere klagen über extreme Auflagen, die noch dazu dauernd kontrolliert werden, aber fehlende Flexibilität, wenn sie selbst einmal was brauchen – oder Verbesserungsvorschläge haben. "Die Mistkübeln haben wir erst gestern bekommen", berichtet eine Verkäuferin am Stand der Firma Frauneder. Die eigene Kaffeemaschine für die Mitarbeiter musste man wieder wegräumen, auch mit den Getränkeflaschen für die Verkäufer habe es anfangs Probleme gegeben. Und auch hier wird dann über das fehlende Programm geschimpft: "Hier auf dem Heldenplatz hätte zumindest eine zweite Bühne her gehört, hier müsste den Touristen etwas geboten werden" – die Begriffe "Schuhplattler" und "Blasmusik" fallen dann noch in diesem Zusammenhang.
Verkäufer am Heldenplatz: Gesenkte Daumen, gesenkte Stimmung.
"Die Leute werden ausgesperrt"
Besonders ärgert man sich auch hier über die Sicherheitsvorkehrungen. "Kleine Kinder werden am Eingang perlustriert, viele Touristen gehen draußen vorbei oder stehen am Zaun und fragen sich, was das hier überhaupt ist", klagt ein Verkäufer am Heldenplatz. Eine Dame, die beim Burgtor Lebkuchenherzen verkauft, bringt die Sache auf den Punkt: "Die Leute werden ausgesperrt." Ihr wäre es schon lieber, würde der Zaun vor ihrem Stand zumindest tagsüber abgebaut werden.
Wie zur Untermauerung dessen wird dann der Reporter auch selbst Zeuge einer solchen ärgerlichen Szene: Einer jungen Dame wird am Eingang bei der Universität eine Wasserflasche abgenommen – obwohl es nur eine 0,33-Liter-Flasche ist, die mitzuführen im Zonen-Gelände laut der "Liste der verbotenen Gegenstände" (siehe unten) ausdrücklich erlaubt ist. Der Security-Mann mit deutschem Akzent pfeift aber auf die eigenen Regeln, zum Diskutieren hat er schon gar keine Lust. Als dann auch noch eine Schulklasse auftaucht, wird er nervös: "Wir müssen jetzt schneller machen. Wegwerfen oder rausgehen und austrinken", schnauzt er.
Die junge Dame entscheidet sich für Ersteres. Ob sie sich diese Frage nochmals anhören wird, ist ungewiss.
Der leere Heldenplatz: Keine Menschenseele,...
...dann aber doch unter den Holzschnitzeln ein bekanntes Gesicht: der lachende Finanzminister.
:finger:
Martin Putschögl,
derStandard.at, 10.6.2008
Anmerkung Bertl v D.:
was habens geglaubt, die Möchtegernabcasher?
Daß das fußballinteressierte Volk sich Urlaubt nimmt und einen Kredit dazu
um taglich von 9 - 23 Uhr in der Fanzone zu konsumieren?!
(und vielen Bundesliga-Fans hat man die EM08 sowieso vermiest,
durch die Repressionen und das idiotische Kartenvergabeverfahren ...)
Als wir zB in Italien (WM90) oder Frankreich (WM 98 ) waren,
schauten wir uns ja auch diverse Sehenswürdigkeiten an
und sind nicht dauernd nur bei Wirten oder am Campingplatz
oder in "Fanzonen" gesessen - wenn es welche gegeben hätte
um irgendwelche "unnötige" Match anzusehen ...
Vor einem Jahr habe ich schon geschrieben zur Fanzone Wien:
viel zu groß,
viel zu teuer,
zu lange offen.