Wien – Nach dreieinhalb Jahren bei der Wiener Austria kehrt Joachim Standfest heim nach Graz.
Diesmal schlüpft der frühere GAK-Spieler jedoch ins Dress des SK Sturm.
Es ist auch eine Heimkehr zur Familie. Das älteste von drei Kindern geht in der steirischen Landeshauptstadt zur Schule, weshalb er nicht mehr mehrmals pro Woche pendeln wollte.
Im LAOLA1-Interview spricht der 30-Jährige über das Entgegenkommen der Austria, die rosige Zukunft der Veilchen, die Ziele mit Sturm, seine realistische Selbsteinschätzung und den Verzicht von Didi Constantini auf seine Person.
LAOLA1: Wie groß ist der Stein, der dir vom Herzen fällt, dass es mit der Rückkehr nach Graz geklappt hat?
Joachim Standfest: Es ist schon eine ziemliche Erleichterung. Aber es ist nicht so, dass ich todunglücklich gewesen wäre, wenn ich in Wien bleiben hätte müssen. Ich habe mich ja nicht unwohl gefühlt. Es war eine schöne Zeit, und ich habe mich alles andere als im Bösen verabschiedet.
LAOLA1: Vor allem private Gründe waren ausschlaggebend...
Standfest: Es ist im Prinzip rein um die Familie gegangen. Der Wunsch nach einer Rückkehr war schon sehr groß. Es hat im Herbst schon angefangen. Meine Große ist in die Schule gekommen, und es ist einfach relativ schwierig und unflexibel geworden, weil die Familie in Graz war. Ich habe dann versucht, ein bisschen mehr im Auto zu sitzen, und bin zwei, drei Mal die Woche heimgefahren – je nachdem, wie es sich mit den Spielen ausgegangen ist. Aber je länger du fährst, desto anstrengender wird es.
LAOLA1: Die Austria hat deine Situation gekannt. War sie bereit, dir entgegen zu kommen, oder war nur mehr ein Wechsel eine Lösung?
Standfest: Die Situation war von Haus aus bekannt. Als ich letztes Jahr meinen Vertrag bei der Austria verlängert habe, habe ich schon gesagt, dass ich nicht weiß, wie es wird, wenn meine Große in die Schule geht. Sie haben mir damals versprochen, dass sie mir sicher nichts in den Weg legen, wenn es irgendwelche Probleme gibt. Dieses Wort haben sie gehalten, und dafür bin ich sehr dankbar.
LAOLA1: Du gehst aber mit einem weinenden Auge, oder?
Standfest: Egal ob finanziell oder sportlich - bei Sturm ist es nicht das, was es bei der Austria ist. Noch dazu kommt bei der Austria dazu, dass der 100. Geburtstag ansteht. Es ist eine Riesen-Euphorie da. Da wird nächstes Jahr sicher etwas gehen. Ich würde mir auch wünschen, dass die Mannschaft nächste Saison Meister wird.
LAOLA1: Du verlässt eine Mannschaft, die heuer knapp am Titel dran war und weiter verstärkt wurde. Hast du das Gefühl, dass der große Wurf klappen könnte?
Standfest: Ich denke, dass das Potenzial sicher da ist. Die Neuverpflichtungen sind dementsprechend, die Mannschaft wurde gezielt verstärkt. Ich glaube, das schaut ganz gut aus. Natürlich braucht man das Glück, dass man wenig Verletzte hat. Wenn wieder drei, vier Leistungsträger gleichzeitig verletzt sind, wird es schwer. Aber wenn sie das nötige Glück haben, kann die Austria sicher Meister werden.
LAOLA1: Du hast in deiner Karriere schon einige Titel gesammelt. Was ist mit Sturm möglich?
Standfest: Ich denke, dass die Ausgangsposition bei Sturm ähnlich wie im letzten Jahr ist. Ich kenne die offiziellen Ziele noch nicht, aber ich denke mal, es wird ein internationaler Startplatz sein. Im Europacup wollen wir soweit wie möglich kommen. Ich bin auch nicht nach Graz gegangen, damit ich Vierter werde. Ich glaube schon, dass genug Potenzial vorhanden ist, um mit dieser Mannschaft unter die ersten Drei zu kommen.
LAOLA1: Innerhalb der Bundesliga kennen sich die Mannschaften untereinander sehr gut. Wie war es für dich vom Spielstil her bisher, gegen Sturm zu spielen?
Standfest: Mit der Austria war es eigentlich immer eine angenehme Sache. Denn Sturm hat immer versucht, mitzuspielen. Mit der Austria spielst du gegen sechs Mannschaften, die gegen dich extrem defensiv spielen. Und dann spielst du noch gegen drei Mannschaften, wo wirklich ein normales Fußball-Spiel herauskommen kann. Sturm war eine dieser Mannschaften. Das ist uns entgegen gekommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass viele schlechte oder unspannende Spiele dabei waren.
LAOLA1: Die Spielanlage Sturms unter Franco Foda müsste auch deiner offensiveren Orientierung entgegen kommen, oder?
Standfest: Von der Spielanlage unterscheiden sich Austria und Sturm relativ wenig. Auch bei der Austria ist es verpönt, sich hinten rein zu stellen. Da wird auch immer das Spielerische gefordert. Bei Sturm ist es ähnlich. Von der Spielanlage wird sich für mich nicht wirklich viel ändern.
LAOLA1: Wie gut kennst du Franco Foda? Wie waren die ersten Gespräche mit ihm?
Standfest: Wir haben jetzt zwei, drei Mal gesprochen. Als ersten Eindruck würde ich von deutscher Gründlichkeit sprechen. Einige der neuen Mannschaftskollegen kenne ich sehr gut, also habe ich mich natürlich über das Umfeld erkundigt. Ich glaube, ich betrete kein Neuland.
LAOLA1: Von der Stadt her betrittst du sowieso kein Neuland. Befürchtest du Ressentiments wegen deiner GAK-Vergangenheit?
Standfest (lacht): Fürchten tue ich mich nicht mehr, dafür bin ich schon zu alt. Nein, im Ernst: Es wird sicherlich einige geben, die es nicht so gern sehen, dass ich jetzt bei Sturm auflaufe. Aber ich habe kein Problem damit, und ich denke einmal, der Großteil wird ebenfalls kein Problem damit haben. Es ist doch schon vier Jahre her, dass ich beim GAK gespielt habe. Außerdem gibt es den GAK in seiner damaligen Form im Prinzip nicht mehr. Wenn es für mich schlecht läuft, ist es egal, ob ich beim GAK gespielt habe oder nicht. Dann würde es sowieso ein Problem mit den Fans geben. Aber wenn es gut läuft, wird es ebenso egal sein, dass ich irgendwann einmal beim GAK gespielt habe.
LAOLA1: Du hast mit 30 Jahren bereits 323 Bundesliga-Spiele absolviert. Das zeigt, dass du seit Jahren immer gesetzt warst – egal unter welchem Trainer...
Standfest: Jeder Trainer hat bislang gewusst, was er an mir hat, und was er von mir verlangen kann. Meine große Stärke ist, wenn mich ein Trainer gut einschätzen kann, dass ich alles umsetze, was er von mir will. Dass ich nicht der beste Fußballer bin, weiß ich selbst. Aber ich bin zuverlässig, ich kann meine Aufgaben zu 100 Prozent erfüllen. Ich absolviere jede Saison zwischen 30 und 34 Spiele, und davon 28 auf einem konstant guten Niveau. Es gibt also wenig Ausreißer nach unten, blöderweise sind die Ausreißer nach oben auch begrenzt.
LAOLA1: Man muss sich selbst einschätzen können...
Standfest: Genau das ist es. Es darf sich keiner bei Sturm erwarten, dass ich vier, fünf oder sechs Spiele entscheiden werde. Ich kann 90 Minuten die Linie auf und ab rennen, und das kann ich relativ gut, finde ich. Das ist meine große Stärke.
LAOLA1: Zudem bist du einer der wenigen klassischen Rechtsverteidiger in diesem Land. Fühlst du dich bezüglich Nationalteam übergangen?
Standfest: Er will halt auf dieser Position andere Spielertypen haben. Er ist der Teamchef, er entscheidet. Er muss es ja auch verantworten. Aber man sieht ja: Garics, der ein ähnlicher Spielertyp wie ich ist, kommt nicht zum Zug. Ibertsberger, der ein ähnlicher Spielertyp ist, ebenfalls nicht. So gesehen eigentlich witzig, dass er Dag spielen ließ. Scharner, Schiemer, Prödl – das sind ganz andere Typen. Aber wenn er das so haben will, dann ist das vollkommen okay. Ich habe überhaupt kein Problem damit.
Laola1